Dass dieser Ort ein wenig speziell ist, merke ich bereits bei der Ankunft in der eher interessanten Kommune. Ein nackter Mann spaziert mit seinen glühend roten Augen den Strand entlang, bekleidet ist er ausschließlich mit selbst geflochtenen Armkettchen. Und er ist glücklich, denn er lacht und singt und flaniert freudig umher wie auf einem Präsentierteller. Als ich in seine Richtung schaue, winkt er mir ausgelassen zu und bedeutet mir mit einer wilden Gestik, mich doch ebenfalls einfach auszuziehen. Ich lasse das für heute lieber gut sein und mache mich auf den Weg, den kleinen, aber feinen Ort zu erkunden.
Als "Chiller-Mekka" Mexikos wird es betitelt, da, wo sich eingesessene Althippies den ganzen Tag in ihren Hängematten räkeln oder irgendwo am Strand abhängen und mit Touris quatschen. Und das ist auch der Grund, warum es mich in das kleine Dörfchen verschlagen hat: Einfach mal zehn Gänge zurückschalten. Die vorangegangene Reise durch halb Mexiko war keine einfache. Stundenlange Busfahrten und Inlandsflüge hängen noch immer im Nacken. Ich will chillen, im gar so verrufenen Chiller-Mekka Mexikos an der Pazifikküste.
Eigentlich ist es der Strand der Toten, und meine erste Idee ist es, dass hier tatsachlich niemand sonderlich lebendig aussieht. Den ein oder anderen Joint wird man hier wohl schon weggeraucht haben, bei einigen Spezialisten könnten es durchaus auch fünf gewesen sein – es ist ja schließlich bereits 11 Uhr Morgens. Jeden Morgen einen Joint und der Tag ist dein Freund – es scheint wohl die Lebensphilosophie so vieler in dem beschaulichen Örtchen zu sein.
Doch der Grund für den traurigen Namen ist leider ein anderer: Baden ist hier zwar möglich, aber äußerst gefährlich – fast jedes Jahr gibt es einen weiteren Todesfall zu verzeichnen, selbst beste Schwimmer haben hier schon ihr Leben gelassen. Die Strömung ist so stark, dass es mir beim ersten Antippen gewaltig die Füße wegzieht.


Bild zu Kap Kamenjak
Geheimtipp: Istrien im Herbst
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Einige eingegrenzte Bereiche weisen den Weg zu Bereichen, die ein bisschen weniger gefährlich sind. Doch ich bin eingeschüchtert und lasse auch das für heute lieber gut sein. Wenn ich mich so umschaue, sind hier ohnehin alle zu faul zum Baden. Zum Baden kommt man auch nicht nach Zipolite, sondern eben zum Entspannen.
Entspannen kann man sich hier prima, und zwar in ein paar wenigen Strandrestaurants oder den witzigen Holzhütten, die so aussehen, als würden sie mit dem nächsten Windstoß davonfliegen. Für umgerechnet zwölf Euro kann man sich hier prima einmieten, prinzipiell hätte mir aber auch eine dieser wunderschönen Hängematten gereicht. Die gibt es in beinahe jeder Unterkunft, jedem Restaurant und jedem Verbindungsweg zwischendrin. Wer es ein bisschen komfortabler braucht, findet aber auch einige wenige bessere Hotels - diese zerstören jedoch irgendwie das Gesamtbild, so richtig rein passt das in Zipolite nicht.

Bob Marley und frischer Fisch

Ein Local schlendert pfeifend an mir vorbei und fragt, ob ich nicht ein bisschen Cevice in seinem Local essen möchte, sein Fisch sei grad ganz besonders frisch. Das will ich auch stark hoffen, denn Cevice ist ein Gericht aus rohem Fisch, säuerliche in Limetten eingelegt, dazu ein paar Zwiebeln. Während aus den Boxen ein leicht klischeehafter Sound von den Doors und Bob Marley dröhnt und vor meinen Füßen ein Bongo-Trommler sein Bestes gibt, kommen wir ins Gespräch und er erzählt über die Schattenseiten Zipolites.
Das Nacktsein und Kiffen am wohl einzigen FKK-Strand Mexikos wird liebend gerne zelebriert, doch auch zahlreiche harte Drogen haben den Weg in die Kommune gefunden. Koks, MDMA, Speed, das alles würde mehr und mehr hier eingeschleust, auf den wilden Partys in einer der beiden Strandkneipen gibt es das einfach auf der Toilette. Das Klientel würde sich dadurch ein bisschen ändern, der Trend vom ultraentspannten Hippie-Dasein würde sich langsam in den des feierwütigen Backpackers ändern. Doch nicht nur Backpacker haben Lunte gerochen, sondern auch viele einheimische Jugendliche hätten nach und nach den Hang zum Illegalen entdeckt. Er schimpft über die dadurch angestiegene Kriminalität und wird kurz sentimental, was ich verstehen kann. An so einem ruhigen Ort sollte es eigentlich nicht solch massiven Ärger geben.
Ein wenig nachdenklich gestimmt mache ich mich auf den Weg Richtung Stadt, denn hier ist heute Markt. Auf halber Strecke passiere ich ein paar Yogis, die im Sonnenuntergang ihre Matten ausgebreitet haben und mit ihrer Gymnastik anfangen. Für mich persönlich ist das nichts, aber einige Touris und vor allem Einheimische haben sichtlich Freude an ihren ausgeführten Übungen. Eigentlich finde ich Yoga richtig dämlich, aber hier an diesem Ort, da könnte es sogar mir Spaß machen.
Dennoch geht der Trend heute in Richtung Wochenmarkt, denn dort ist es richtig schön, wie bereits vorab im ganzen Dorf bekannt gegeben wird. Keine billige Abklatsch-Ware, wie man sie von so vielen Wochenmärkten kennt. Vielmehr ist es buntes Hippie-Treiben, einige hochinteressante Menschen verkaufen hier ihre hochinteressante Ware: Das Meiste ist selbst gebastelt oder genäht, in ihren Hütten, am Strand, wo auch immer. Hier und da gibt es selbstgebrannten Schnaps und gebackenen Kuchen, niemand ist aufdringlich.


Kreuz und quer durch Mexiko
Unsere Bloggerin führt Sie von Cancun über Tulum bis nach Oacaxa.
Ich habe schon viele Märkte dieser Welt erkundet und eigentlich mag ich es nicht gerne. Aufdringlichkeit und stundenlanges Feilschen sind die Gründe dafür, doch in Zipolite, da ist es anders. Ein bisschen beschämt schaue ich einer Frau in die Augen und bedeute ihr, dass das bodenlange Kleid bei meinen knappen 1,60 unpassend ist, da seh ich ja noch kleiner aus als ich eh schon bin. Die Ausreden-Argumentation hätte ich mir sparen können, den sie strahlt mich an: "Easy. No Worries. Enjoy". Mit diesen Worten schenkt sie mir ein Stück Kuchen und winkt mir nett hinterher.
Am Ende des Abends finde ich endlich den Platz in meiner überragenden Hängematte, die auf der Veranda der alten Holzhütte steht. Der Strand liegt vor der Tür, einige irren immer noch nackt umher, obwohl es bereits dunkel ist. Der Geruch von Gras hängt über dem ganzen Dorf, der Geruch der Hippies an sich irgendwie auch. Der Hostelbesitzer kommt vorbei, bietet noch eine Runde selbstgebrannten Schnaps an und sieht, dass ich mir das Schmunzeln kaum verkneifen kann. "Welcome to Zipolite, relax", sagt er, und blickt mit mir aufs Meer.
Vielleicht ist Zipolite nicht jedermanns Sache, so eine Art von radikalem Relaxen im Urlaub muss man schon irgendwie mögen. Wer jedoch auf der Suche nach genau dieser Auszeit ist, wird sich freuen, wenn er mit dem Sammeltaxi vom nächstgrößeren Ort Puerto Escondito kommt und das selbstgebastelte Eingangsschild sieht: Welcome to Zipolite – a place, where people come to do nothing.


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Einfach mal nichts tun

In Zipolite wird Müßiggang ganz groß geschrieben.


Bild zu Reise-Bloggerin Cathrin Kuhl
Bloggerin Cathrin Kuhl
Die junge Bloggerin Cathrin Kuhl begeistert auf einer Palette von rosarot bis kackbraun mit wildesten Geschichten aus aller Welt.